Fünfeinhalb Milliarden Schweizer Franken. Das sind die Nettoumsätze, die Medien in der Schweiz jährlich mit Werbung erreichen, wobei mehr als ein Drittel davon (37% oder rund zwei Milliarden CHF) im Bereich elektronischer Medien (also Fernsehen, Radio, Kino und Online) erzielt wird. Der Anteil des Rundfunks (also Fernsehen und Radio) daran macht rund eine Million CHF aus.

Es geht bei werbefinanzierten Medien also um viel Geld. Für private Medien, die immer gleichzeitig auf einem Publikums- und einem Werbemarkt unterwegs sind, stellt dieses Geld die Haupteinnahmequelle dar. Dabei wird der Preis, den die werbetreibende Wirtschaft den Medien für Werbung bezahlt, über die Reichweite und die Marktanteile von Medien definiert: Je mehr Leute erreicht werden, desto teurer ist die Werbung. Weil die Reichweiten und Marktanteile seit Jahren stagnieren oder sinken, gehen auch die Umsätze, die sich mit Werbung erzielen lassen, zurück (ausgenommen davon ist der Online-Bereich). Dabei sind Medien ein Business, das stark von Fixkosten und damit auch von Skaleneffekten geprägt ist: Man kann beispielsweise nicht einfach billigeres Rohmaterial beschaffen und dadurch Geld sparen – aber wenn man mit einzelnen Inhalten viel mehr RezipientInnen erreicht, sinken die Produktionskosten. Folglich greifen die privaten MedienmacherInnen zu kreativen Strategien, um mit ihrer Werbung mehr Personen und insbesondere mehr relevante Zielgruppen zu erreichen. Dazu gehören multimediale Vermarktungskonzepte, mit denen Kampagnen simultan in zahlreichen Kanälen geschaltet werden können, oder auch zielgerichtete Werbung, die sich an konkret definierte Zielgruppen richtet.

Eine weitere, jedoch eher ideologisch als betriebswirtschaftlich begründete Strategie stellen die regelmässigen Attacken auf die SRG dar. So wurde etwa durchgesetzt, dass zeitversetzte TV-Nutzung (beispielsweise über Internetangebote wie Teleboy, SRF online, oder auch die Angebote von Swisscom TV und UPC) maximal sieben Tage möglich sein darf. Der No-Billag Angriff auf die SRG muss in diesem Lichte gesehen werden: Die Interessen von libertären Deregulierungs-VerfechterInnen, die staatliche Eingriffe grundsätzlich um jeden Preis zurückdrängen wollen, treffen auf naive Träume von gewissen MedienmacherInnen, die die Marktanteile der SRG gerne unter sich aufteilen würden.

Insofern lohnt sich ein Blick auf diese Marktanteile, um ein realistisches Bild der Gegebenheiten zu zeichnen. Beim Fernsehen erreicht die SRG (über 24 Stunden betrachtet) knapp einen Drittel Marktanteil (31.3% in der Deutschen, 28.5% in der Französischen und 32.8% in der Italienischen Schweiz). Die privaten Schweizer TV-Sender kommen in der Deutschschweiz immerhin auf 8.4%, während sie in der Romandie mit 1.2% und im Tessin mit 1.1% verschwindend klein sind. Die restlichen rund zwei Drittel des Marktes teilen sich ausländische Sender auf (60.3% in der Deutschen, 70.3% in der Französischen und 66.1% in der Italienischen Schweiz). Im Radiobereich gibt es deutlich mehr Sender als beim Fernsehen, auch weil sich das Medium besser für eine regionale Ausrichtung eignet. Insofern ist der Marktanteil der ausländischen Sender deutlich kleiner: Über den ganzen Tag betrachtet erreichen die SRG-Radiosender rund zwei Drittel Marktanteil (64.5% in der Deutschen, 65.6% in der Französischen und 76.3% in der Italienischen Schweiz), während die privaten Schweizer Sender in der Deutschschweiz Marktanteile von 30.6%, in der Romandie 24.7% und im Tessin 16.3% aufweisen. Für die ausländischen Sender bleiben also 4.8% in der Deutschen, 9.7% in der Französischen und 7.4% in der Italienischen Schweiz übrig.

Machen wir uns nichts vor bezüglich der No-Billag Initiative: Die zu zwei Dritteln aus Gebühreneinnahmen finanzierte SRG könnte bei einer Annahme nicht weiter bestehen und müsste abgewickelt werden. Die BefürworterInnen der Initiative können noch so viele Plan-B-Szenarien ausarbeiten und beteuern, die Tagesschau könnte sich auch über Bezahlabos finanzieren – das bleiben weltfremde Vorstellungen von Akteuren, die keinen Schimmer vom Medienbusiness haben. Gehen wir also davon aus, dass die SRG – und damit ihre Marktanteile – verschwinden würde. Beim Fernsehen ist die Sache eigentlich klar: Die Übermacht der ausländischen Sender ist gross genug, um die SRG-Anteile praktisch restlos aufzusaugen. Niemand glaubt ernsthaft, dass die privaten Schweizer Sender, die nicht mal zweistellige Marktanteile aufweisen, plötzlich so stark wachsen könnten – die Schweiz ist dafür einfach zu klein. Dies gilt umso mehr in der Lateinischen Schweiz. Beim Radio sieht es leicht anders aus: Die privaten Schweizer Sender halten höhere Anteile als die ausländischen und könnten wohl leicht zulegen. Doch es fehlt ein weiterer wichtiger Faktor in dieser Betrachtung, nämlich die Konzessionierung von 41 regionalen und lokalen Radio- und 13 regionalen Fernsehprogrammen durch den Bund. Diese Konzessionen, die für viele private Stationen absolut nötig sind, werden ebenfalls aus den Billag-Gebühren finanziert. Insbesondere kleine Radiostationen, die häufig rund die Hälfte ihrer Einnahmen aus den Konzessionen ziehen, wären bei einer Annahme der Initative ebenfalls bedroht. Insofern würden auch im Radiobereich mindestens indirekt vor allem die ausländischen Sender profitieren.
Um die Fronten bezüglich der Initiative in der Schweizer Medienlandschaft aufzudecken, lohnt sich ein Blick auf die Besitzverhältnisse. Die ökonomische Konzentration hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass nur wenige grosse Verlage übrig sind – es lässt sich also schnell klären, welche Verlage an konzessionierten TV- oder Radiostationen beteiligt sind. Die NZZ-Mediengruppe und AZ-Medien haben sowohl konzessionierte Radio-Sender (NZZ: Radio FM1, Radio Pilatus; AZ: Radio Argovia, Radio 24), als auch konzessionierte TV-Stationen (NZZ: TVO, Tele1; AZ: Tele M1, TeleBärn). Die Somedia (und damit indirekt die Basler Zeitung) profitiert über TV Südostschweiz von Konzessionen. Ringier ist am konzessionierten Radiosender Energy Zürich beteiligt.
Nur die Tamedia hat vor einigen Jahren alle Beteiligungen an Rundfunksendern verkauft und profitiert somit als einziger grosser Schweizer Verlag nicht von Konzessionen. Doch nicht nur das: Im Dezember 2017 wurde bekannt, dass Tamedia plant, die Goldbach Group zu übernehmen (und es ist davon auszugehen, dass die Wettbewerbskommission diesen Plan durchwinken wird). Goldbach vermarktet und vermittelt Werbung in privaten (elektronischen) Medien, unter anderem auch die Schweizer Werbefenster der ausländischen TV-Sender. Der neue Tamedia-Goldbach-Konzern (der auch mit der Produktion von TV-Inhalten liebäugelt) wäre somit der grosse Profiteur von No-Billag, während alle anderen Schweizer Verlage Rückschläge im Radio- und / oder TV-Bereich hinnehmen müssten. Dies erklärt die zumindest ambivalente Berichterstattung der Tamedia-Publikationen über die Initiative.

Zu guter Letzt gibt es noch einen weiteren Akteur, dem ein Wegfall der SRG gelegen kommen würde: Es ist der ideologische Milliardär, der seine rechts aussen angesiedelten Positionen in die Gesellschaft tragen möchte. Wie sich bei der Basler Zeitung zeigt, ist dies zwar ein Verlustgeschäft – doch wer es sich leisten kann, Geld täglich aus dem Fenster zu werfen, um extremistische Publikationen zu finanzieren und öffentliche Diskurse damit merklich nach rechts zu schieben, hat es leichter, wenn die SRG nicht mehr existiert. Denn die öffentliche Finanzierung der SRG stellt auch sicher, dass deren JournalistInnen genug Ressourcen für investigative Recherchen haben. Sie müssen nicht immer auf Reichweiten und Marktanteile achten, sondern können es sich zumindest teilweise leisten, aufklärerischen Journalismus zu produzieren, der einer demokratischen Gesellschaft angemessen ist. Dies fördert im Medienbereich einen Qualitätswettbewerb statt einen Wettbewerb um Ratings, Marktanteile und Klicks: So zeigen zahlreiche medienwissenschaftliche Untersuchungen, dass die Qualität der öffentlichen und öffentlich-rechtlichen Sender auf die Inhalte von privaten Sendern abfärben. Es kommt also eine Art Sozialisationseffekt zu tragen, der das ganze Niveau der Berichterstattung in einem Mediensystem erhöhen kann. Bezüglich den Nachrichtensendungen des Britischen Senders ITV wird dies etwa regelmässig konstatiert –dessen Stil und Qualität sind merklich positiv von der BBC beeinflusst. Genau diesen Effekt würden auch die RechtsideologInnen gerne nutzen, bloss in die andere Richtung – um ein tieferes Niveau mit immer rechteren Inhalten salonfähig zu machen. Dass ausgerechnet die nationalistischen Patrioten dabei ausländischen AkteurInnen – nämlich eben den TV-Sendern – in die Hände spielen, muss als Ironie der Geschichte und ideologische Verblendung betrachtet werden.

Florin Büchel ist Post-Doc und Dozent am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit politischer Kommunikation, Mediensoziologie, Erkenntnistheorie und normativer Medien- und Demokratietheorie.

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