Blinkende Glühbirnen, Geruch von Zuckerwatte, kreischende Jugendliche: «Park» ist im Oktober in der Roten Fabrik zu sehen – und zu hören. Denn das Publikum erreichen nur die Geräusche des Vergnügungsparks nebenan, der Spass bleibt leeres Versprechen. In dieser Leere wird das Nebensächliche zum Protagonist. «Park» thematisiert die Verzweiflung und Idiotie der Massenkultur, lässt uns eintauchen in die Ästhetik einer skurrilen, zum Albtraum gewordenen Kinderwelt.

 

Leoni Unger: Wie kam die Idee zum Stück «Park» zustande?

Annalena Fröhlich: Das Thema Vergnügungspark beschäftigt mich schon lange. In jeder neuen Stadt besuche ich einen solchen, um zu filmen oder zu fotografieren. Ich habe schon lange eine Faszination für diese Maschinen, die Bahnen – obwohl ich sie selber gar nicht gerne besteige. Am liebsten mag ich die Melancholie bei Regen, wenn der Park ganz leer ist und die Maschinen trotzdem laufen. Sie bekommen ein Eigenleben, werden selbst zu Protagonisten. Ausserdem empfinde ich, dass in unserer Gesellschaft alles auf Spass ausgerichtet ist. Es heisst immer, es gehe nur darum, im Leben glücklich zu sein. Ich fragte mich, ob es für mich wirklich darum geht, und was damit gemeint ist. Bei den Recherchen zum Stück habe ich mich erstmals mit den Leuten befasst, die im Park arbeiten, mit den RekommandeurInnen. Diesen Beruf kannte ich vorher nicht, das sind die Leute in den Kabäuschen, die die Bahnfahrten kommentieren – «Spass Spass Spass!» – mit ganz viel Hall drauf. Wenn du sie anschaust, ist da die grosse Depression. Darum geht’s mir – wie kann ich diese Leere und Verzweiflung visualisieren, die hinter der Spassindustrie steckt. Und die Spassindustrie steht für mich für unsere Zeit.

Diese Thematik ist in vielen deRothfils-Kreationen präsent…

Wir befassen uns stark mit der Vereinzelung in der Schweizer Gesellschaft, in der eine grosse Einsamkeit herrscht. Warum ist es nicht möglich, dem Anderen zu begegnen und ein wahres Interesse zu haben? In Park sind alle in ihrem eigenen Universum gefangen. Sie schaffen es nicht, etwas gemeinsam zu machen, eine Strategie zu entwickeln. Manchmal passieren zwar Symbiosen, aber das verpufft gleich wieder und man ist wieder allein.

Wer steckt hinter deRothfils? Und was hebt «Park» von anderen eurer Kreationen ab?

DeRothfils gibt’s seit 2010/11 und wurde von Nina Stadler und mir gegründet. Wir arbeiten gerne mit dem gleichen Team zusammen, weil man dann nicht immer grundsätzliche Dinge klären muss. Bei «Park» konnte Nina nicht teilnehmen, es war das erste Mal, dass ich alleine die künstlerische Leitung hatte. Ein Sprung ins kalte Wasser! Aber ich habe schnell Gefallen daran gefunden, kompromissloser arbeiten zu können – ich konnte dadurch radikalere Entscheide treffen. Am Anfang wollten wir ein richtig grosses Projekt daraus machen; Wir wollten einen ganzen Lunapark mit Maschinen und vielen Leuten, doch das Geld fehlte, und alles fiel ins Wasser. Daher die Idee, den Lunapark nur akustisch darzustellen. Du siehst etwas, aber hörst etwas anderes – das gibt eine Verschiebung von Bild und Ton, es entsteht eine Lücke, etwas tut sich auf… Was mich daran interessiert hat, war, das Nebensächliche in den Fokus zu bringen. Das Spektakuläre, den Lunapark, sieht man gar nicht. Und dann das spielerische Element, z.B. die Frau mit den Ballons – man sieht, dass sie Mühe hat, sich in ihrem Kostüm zu bewegen. Eine beklemmende Situation für sie, aber sie sieht lustig aus dabei – das erzeugt eine Diskrepanz.

Die Ballonfrau ist gefangen in ihrem Kostüm, ihrem Körper, und wir sind gefangen in der Massenkultur. Auf deiner Homepage steht «it’s impossible to escape the fun». Gibt es im Theaterstück ein Hintertürchen? Denkst du, es ist überhaupt möglich, der Massenverblödung zu entkommen?

Im Stück geht es mir um die Visualisierung dieses Zustands, es gibt keine narrative Auseinandersetzung. Manche Szenen sind so idiotisch, man fragt sich: Wieso lache ich eigentlich? Ich denke, eine Verweigerungshaltung kann eine Strategie sein. Mein Ziel ist es nicht, glücklich zu sein, mir geht es um etwas anderes. Darum, sich dem Zwang des Spasses zu entziehen.

Dieser Zwang kommt bereits im Trailer gut rüber. Die Körper der Schauspieler wirken wie Schaufensterpuppen. Wie habt ihr euch diesen «künstlichen» Körper erarbeitet? Wie liefen eure Proben ab?

Die Struktur ist durch Improvisationen entstanden. Vieles entsteht durch Zufall, ich lasse die Gruppe lange improvisieren und schaue einfach zu. Und vielleicht macht jemand etwas im Off, oder es passiert ein Fauxpas. So ist die ganze Sprache entstanden.

Also auch nach dem Lustprinzip! Welche Rolle hat für dich der Spass beim Kunstschaffen?

Das hat mich in den letzten Jahren sehr beschäftigt. Ich hatte Mühe damit, wie das Kunstschaffen funktioniert. Ich musste mit mir klären, wie weit ich da mitmache, wo meine Grenzen sind. Ich fragte mich, für wen ich das Ganze mache – für welches Publikum? Für mich, für die Intendanz, für die Szene? Wer bestimmt meine Arbeit? Damals habe ich die Freude verloren. Im Prozess zu «Park» wollte ich deshalb das Spielerische, die Freude, meine eigene Vision von Ästhetik, von Sprache ertüfteln – ich tüftle sehr gerne! Das war für mich ein wichtiger Schritt.

Die Freude am Spiel und nicht die der Zuschauer, die euer Stück in ihren Sessel zurückgelehnt gemütlich konsumieren, ist entscheidend…

Natürlich wird während dem Prozess auch das wichtig, was ich damit transportieren möchte. Aber manchmal merke ich, dass in unserer Zeit, in der die Kunst auch kapitalistisch funktionieren muss und Teil des Systems ist, ich plötzlich nur noch Administration oder Networking mache. Und das hat nichts damit zu tun, was für mich Kunstschaffen ist: nämlich das ausufernde an-etwas-Rumtüfteln. Oder eben die Poesie des Unspektakulären: dass die Kaffeemaschine gleichwertiger Protagonist wird wie der Opernsänger oder der Affe…

Diese Poesie des Unspektakulären zeigt sich auch durch das Abseits des Vergnügungsparks – das Tohuwabohu ist nur aus dem Off hörbar, die Party findet ohne uns statt. Was inspirierte dich am «Nebenansein»?

Während den Recherchen stiess ich auf ein Interview mit einem Zürcher Ballonverkäufer. Er sagt, es gäbe mittlerweile sogar Ballons auf Beerdigungen. Das fand ich spannend – muss man nun sogar Spass an Beerdigungen haben? So absurd! Und dann war da auch der Satz «Man muss aufpassen mit der Heliumstimme, denn zu viel Helium ist tödlich.» Also zu viel Spass ist tödlich. Das war eine grosse Inspiration. Genau wie das Park-Team – wir sind prädestiniert für eine gewisse Idiotie. Ich sage das mit ganz viel Liebe! Mit anderen Leuten wäre das Stück ganz anders geworden. Wir inspirieren uns gegenseitig und nehmen uns ernst.

Also sich gleichzeitig ernst nehmen und idiotisch sein – ein Widerspruch?

Nein gar nicht! Wenn man sich ernst nehmen möchte als Mensch muss man, denke ich, akzeptieren, dass die Idiotie ein Teil unserer Existenz ist. Wir sind uns selbst ein riesen Dilemma, das kennt jeder, der sich mit sich selbst beschäftigt – die ganze Literatur ist voll davon. Wenn man das ernst nimmt, kommt man zum Schluss, dass alles ein völliger Blödsinn ist – und deshalb kann man dann auch leben.

 

«Park» spielt am 6. Und 7. Oktober im Rahmen des Yeah Yeah Yeah Tanzfestivals im Fabriktheater.

 

 

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