Ein Bericht des Weltwirtschaftsforums geht davon aus, dass durch die 4. Industrielle Revolution mehr Arbeitsplätze verloren gehen als hinzukommen

Prognosen über die Auswirkungen der Computerisierung der Arbeit durch Big Data, KI, Roboter, 3-Druck und Industrie 4.0 gibt es viele. Schon in den 1960er Jahren hoffte oder fürchtete man, dass die menschliche Arbeit weitgehend überflüssig werden könnte, und stellte Überlegungen an, wie die arbeitslosen Menschen träge in der Konsumgesellschaft existieren sollten. Bewahrheitet hat sich diese Utopie oder Dystopie nicht. Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung hat sich hingegen vermehrt, während die Mittelschicht geschwunden ist und die Gesellschaften sich in Arm und Reich, in Billiglöhner und Hochverdiener geteilt hat.

Dass die Schere zwischen Armen und Reichen in der digitalen Gesellschaft immer schneller auseinandergeht, hat gerade wieder einmal der Oxfam-Bericht über die «Wirtschaft für das 1 %» bestätigt. Dieser war an das Weltwirtschaftsforum in Davos und an die dort anwesenden Eliten gerichtet, doch bitte die Steueroasen zu schließen. (Oxfam: Die Ungleichheit nimmt weltweit explosiv zu)

Man hätte es freilich auch deutlicher ausdrücken können. Es gibt nicht nur ein Flüchtlingsproblem mit den Menschen, die aufgrund von Armut, Verfolgung, Krieg oder der Hoffnung auf ein besseres Leben in die reichen Länder einwandern, die sie erreichen können, sondern auch ein Flüchtlingsproblem mit den Reichen, die zwar meist in ihren Ländern bleiben, aber dennoch Steuerflüchtlinge sind – und damit ihren Gesellschaften, die in der Regel zudem auf angemessene Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Kapitaleinkommen verzichten, finanziell vielleicht mehr schaden könnten, als die Integration von Flüchtlingen kosten würde. Überdies leben die Reichen auch gerne in Parallelgesellschaften.

Wenn nun KI-getriebene Maschinen und Roboter zunehmend bislang von Menschen ausgeführte Arbeit übernehmen sollten, wird dann die Ungleichheit weiter mit Arbeitslosen und Billiglöhnern zunehmen? Oder würden ausreichend neue Jobs mit guten Einkommen als Folge entstehen? Oder würden Gesellschaften sich umorientieren, wenn die Arbeit an die Maschinen übergeht, um nach Mindestlöhnen auch an alle ein bedingungsloses Grundeinkommen aus der Wertschöpfung der Maschinen zu zahlen, das zumindest das Existenzminimum abdeckt? Würde die Ausbeutung der menschlichen Arbeit von der Ausbeutung der intelligenten Maschinen abgelöst werden? Könnte die gehypte Sharing Economy ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell darstellen, auch wenn sie erst einmal vor allem erreicht, dass viele Bereiche, die bislang noch nicht wirtschaftlich erschlossen waren, nun auch monetarisiert und ökonomisiert werden?

Viele Fragen gäbe es an der Schwelle der ausgerufenen «4. Industriellen Revolution» mit ihren «smart systems» von Fabriken über Städte bis zu den alltäglichen Dingen. Ein Bericht des Weltwirtschaftsforums über die «Zukunft der Arbeit» hat nun einmal versucht vorherzusagen, wie sich durch neue – im Jargonsprech natürlich «disruptiv» genannte – Techniken bedingte Änderungen des Arbeitsmarktes in den 15 führenden Industrieländern, in denen 65 Prozent der arbeitenden Weltbevölkerung beschäftigt sind, in den nächsten 5 Jahren auswirken werden. Gesellschaftliche Folgen interessieren dabei allerdings nicht.

Demnach würden 7,1 Millionen Jobs verloren gehen, zwei Drittel davon in Büro- und Verwaltung, während 2 Millionen neue entstehen könnten – Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Ausbildung der Menschen entsprechend besser wird. Die Frauen wird es stärker als die Männer treffen. Das wäre keine gute Bilanz, zumal die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) erwartet, dass aufgrund des Bevölkerungswachstums und des geringen Jobwachstums bis 2019 11 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen.

Der Bericht basiert auf Umfragen unter Managern und leitenden Mitarbeitern von großen Unternehmen. Für sie wird das mobile Internet zusammen mit Big Data, neuen Energieformen und dem Internet der Dinge in den nächsten Jahren die meisten Veränderungen verursachen. Roboter, autonome Fahrzeuge, KI und Maschinenlernen, 3-Drucker, neue Materialien und industrielle Verfahren und Biotechnik werden als weniger wichtig für die nächsten zwei Jahre angesehen, aber sie sollen ab 2018 maßgeblich werden. Man geht davon aus, dass der Arbeitsmarkt, vor allem das Voranschreiten der Flexibilisierung der Arbeit sowie demografische und sozioökonomische Faktoren wie die wachsende Mittelschicht in den «emerging markets», besonders die Rolle der Frauen und jungen Gesellschaften bestimmen werden, einschließlich der Folgen von geopolitischen Risiken.

Erwartet wird, dass neue Arbeitsplätze bei Architekten, Ingenieuren, Informatikern und Mathematikern entstehen, während einige im Bereich der Herstellung und viele in Büro- und Verwaltungsbereich verloren gehen. Bei Finanzen und im Management (man glaubt an die eigene Bedeutung) wird das größte Jobwachstum gesehen, im Verkauf oder beim Ausbeuten von Bodenschätzen wird in den nächsten fünf Jahren keine erhebliche Veränderung erwartet. Kunst, Design, Unterhaltung und Medien sollen auch nach unten weisen, ebenso die juristische Branche und stark auch der Gesundheitsbereich – aufgrund von Telemedizin.

Am ehesten soll es wenig überraschend mehr Jobs für Datenanalysten geben, aber auch für spezialisierte Jobs im Sales-Bereich. Dort wo wie bei Informatikern oder Ingenieuren und anderen spezialisierten Jobs mehr Nachfrage entsteht, wird eine heftige Konkurrenz zwischen den Unternehmen vorhergesehen, was die Einkommen hier in die Höhe treiben dürfte. Immerhin wird die Frage gestellt, ob bei der vorwiegend technischen Innovation die Frauen mithalten können, da deren Anteil in diesen Berufen nur langsam anwächst. Um die vorhergesehen Nöte im Personalbereich für bestimmte Jobs zu mindern, wird es von vielen Unternehmen als wichtig erachtet, mehr Frauen einstellen zu können. Dazu sei eine Minderung der Einkommenskluft zwischen Männern und Frauen ebenso notwendig wie eine bessere Work-Life-Balance und eine verstärkte Ausbildung der Frauen in den technischen Bereichen.

Work is what people do and not where they do it. Businesses will increasingly connect and collaborate remotely with freelancers and independent professionals through digital talent platforms. ?

Weiterhin sind aber die meisten Menschen, zumal in Entwicklungsländern, sowieso in Landwirtschaft oder Fischerei beschäftigt, wo die Auswirkung technischer Innovationen noch schwerer auszumachen ist. Die Autoren erwarten, dass auch im Personalwesen und bei Dienstleistungen eine Zunahme an Jobs stattfinden dürfte, was aber bei den Befragten aus den multinationalen Unternehmen weniger eine Rolle spielen würde, weswegen dies zu kurz gekommen wäre. Das aber wären wohl bis auf Ausnahmen eher geringer bezahlte Jobs.

In einer Umfrage unter je tausend 16-25-Jährigen in Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Südafrika und den USA im Auftrag von Infosys ist die Mehrheit der jungen Menschen nicht versessen auf die Flexibilisierung; man will Sicherheit, in unsicheren Start-Ups wollen die wenigsten arbeiten. Der Druck oder die Angst ist hier groß. 40 Prozent sagen, dass Maschinen innerhalb von zehn Jahren ihren Job übernehmen können.

Eine Mehrheit geht von der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens aus, und dass technische Kenntnisse wichtig sind für gute Karrierechancen – in Indien und China wird das für deutlich wichtiger als in europäischen Ländern gehalten. Es wird eine Kluft bei den technischen Kenntnissen zugunsten der Emerging States konstatiert. So sagen in den Industrieländern viele, die Ausbildung in Schule und Universität wäre unzureichend für die Anforderungen der Arbeitswelt. Insgesamt stimmen 80 Prozent der Aussage zu, dass sie Kenntnisse und Fertigkeiten erlernen mussten, die ihnen in Schule und Universität nicht beigebracht wurden. In den alten Industrieländern ist der Druck hoch, einen guten Job zu finden. So glauben 76 Prozent der Franzosen, ihre Jobaussichten seien schlechter als die ihrer Eltern. In Indien sagen dies nur 49 Prozent.

Infosys will aber für gute Stimmung sorgen. Die jungen Menschen denken positiv über die Technik und seien sowieso optimistisch, was nicht unbedingt den Umfrageergebnissen entspricht. So würden die jungen Menschen verstehen, dass sie angesichts der technischen Neuerungen «beweglich, für das Lernen offen und fähig sein müssen, in einer globalen Umwelt zu arbeiten, um einen langfristigen Karriereweg aufzubauen».

Florian Rötzer ist ein deutscher Journalist. Er studierte in München Philosophie, Pädagogik sowie Psychologie und ist Chefredakteur beim Online-Magazin Telepolis, zu dessen Gründern er gehört.

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