«Icequeen» Milky Diamond, «Princeofcolour» Meloe Gennai und «Hada Bruta» José Barros nehmen sich unter der Regie von Dominik Locher die Heteronormative Gesellschaft vor: trans, queer, queen und non-white erschaffen sie mit Pistole und Liebe ein Gegennarrativ zu den Hassverbrechen an der LGBTQI+ Gemeinschaft. Und sehen dabei wunderschön aus.

Sophie Steinbeck: Was benutzt ihr für Pronomen?

Meloe Gennai: Ich benutze entweder «er» oder «they/ille», weil ich mich manchmal als Mann fühle und manchmal als non-binary. Oder einfach meinen Namen, Meloe.

Milky Diamond: It doesn’t really matter for me – wenn ich in Drag bin, nennen mich Freunde «sie», generell «er» – mir ist das eigentlich nicht gross wichtig. Ich schreibe selber immer «er», aber wenn jemand «sie» sagt, weil sie mich hauptsächlich in Drag kennt, dann ist das absolut kein Thema. Es gibt auch Leute, die mich, wenn ich normal aussehe, «sie» nennen, it’s fine for me.

Meloe: Manchmal nennt man mich in der Drag-Szene auch «sie». In dieser Umgebung ist es ok. Für mich heisst «sie» dann Femininity, und ich fühl mich sehr wohl damit.

Was heisst Männlichkeit für euch?

Milky: Ich habe keine richtige Vorstellung von Männlichkeit, sondern definiere sie durch mich selber. Ich fühle mich manchmal männlich, manchmal feminin, aber es ist nicht so ne harte Schiene, it’s liquid, fluid. Wenn ich zum Beispiel mit kurzen Haaren, ohne Perücke und so im Tram sitze und merke, wie ich manspreading mache, also meine Beine so auseinanderhalte, denke ich «warum sitz ich so männlich, was ist denn los mit dir heute.»

Meloe: Für mich bedeutet es Verantwortung – solange die Menschen, die feminin aussehen, weniger Macht haben, es keine Gleichstellung gibt, haben die Menschen, die mehr Macht haben, die Verantwortung, es besser zu machen für andere. Ich selber habe vier Schwestern und wenn ich es irgendwie vereinfachen kann für sie, dann mach ich das.

Habt ihr das Gefühl, dass euer Aussehen euer Leben beeinflusst? In welchen Situationen könnt ihr euch nicht frei ausdrücken?

Milky: Als ich 15 war, hatte ich ne Vision wie ich sein möchte, ich wollte immer ein Star sein, auf der Bühne sein. Ich hab begonnen, meine Haare zu färben und hab mir aufgezeichnet, was ich tragen möchte. Bis 20 hab ich das voll durchgezogen, hatte lange schwarz-blonde Haare, hab ausgesehen wie ein Mädchen everyday – es war mir egal, ob ich als Mädchen aufgenommen werde oder nicht, ich hatte so n riesen Ego und Selbstvertrauen. Ich hab immer gedacht: Everybody’s just boring. Except me. Mit 20 hatte ich dann mehr Bartwuchs und es war nicht mehr so passable; also hab ich angefangen, mal wieder Jungskleider zu kaufen und bisschen männlicher – im gesellschaftlichen Sinn – rumzulaufen, weil ich irgendwann die Leute nicht mehr ertragen habe. Jetzt bin ich nur noch in meinem Girlie Look, wenn ich auf der Bühne stehe, dabei ist das eigentlich die bestmögliche Form von mir. But now it’s just a job. Ich hab mich ein bisschen angepasst in den Jahren, um in die Gesellschaft reinzupassen.

Meloe: It’s funny because in a way I am protected by the fact that I am not swissgerman, or that I’m not white, so people are like oh, he’s an original, but they can not relate to me. I don’t look like their cousin or someone next door, and they don’t want people next door to look like this. So sometimes this gives me protection, but then suddenly something very violent can come because I’m not white. Ich werde mich mein ganzes Leben leider nie nachlässig kleiden können, sonst werde ich gleich für obdachlos gehalten – und so behandelt. Only white people get to not care what clothes they wear.

Hat Kunst als Aktivismus einen Einfluss auf die Gesellschaft?

Milky: Als ich im Club gearbeitet habe, kamen immer wieder junge Menschen, die sagten, sie haben mich auf der Bühne gesehen, ich sei so selbstbewusst und sie wollen das auch, und das gebe ihnen Kraft im Coming out. And I was like: I’m just wearing a wig and am performing! Aber irgendwie hat das immer wieder jüngere Menschen berührt. Es freut mich so für sie, dass sie einen Weg finden, nur weil sie queere Performer sehen auf der Bühne. So being on stage is like my activism.

Gerade erarbeitet ihr zusammen mit dem Regisseur Dominik Locher und dem dritten Performer José Barros das Stück Hate, eine «queer-core lovestory». Was kann man sich darunter vorstellen?

Milky: Wir beide sind keine Schauspieler, ich kenn Bühne nur zum Performen. Ich find’s interessant, dass ich nun eine Rolle aufbauen kann, basierend auf meinem Leben, aber dann noch Elemente hinzufügen kann, wie ich gerne sein würde. Ich bin diese Nightlife Personality, die Grande Dame, die aber sehr böse ist, so der Anti-Held. Das will ich schon lange, und jetzt kann ich den spielen, das freut mich sehr.

Meloe: Zwischen uns passiert auch viel, vor allem Akzeptanz unserer Verschiedenheit.

Ich lerne viel über Milky, über die Dragwelt, what it means to grow up in a small town as a queer, as a queen bascially. We are in a normative system – how you think about sexuality, you learn that in highschool: how hetero people have sex, but nothing else. So now we can teach some other perspectives to an audience. It’s a funny experience: to let them see their system through our eyes. How their system is problematic and how it can impact our lives negatively.

Milky: Das Keyword ist Respekt. Respekt von den Leuten um uns, Respekt vor uns selber – das ist das, was die drei Rollen, so unterschiedlich sie sind, verbindet. Das ist etwas, was das Publikum sicher auch kennt: nicht respektiert zu werden, und sich den Respekt zu suchen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Gruppe Hengst&Hitzkopf zustande gekommen?

Milky: Durch Dominik. Er hat uns tracked down, in einen Raum gesteckt, hier seid ihr, wir machen das und das, viel Spass.

Meloe: Ich hab ihn noch ein bisschen moralisiert, ich sagte: Das geht nicht, ihr braucht representation, ihr braucht people of colour, ihr braucht queers für ein Stück über queers. Er wollte erst nur Milky und sonst weisse Heteros nehmen. I was like: you need to revision! I’m glad I insisted, now you’ll see our team: we are very diverse, it’s beautiful.I don’t know if this is the first stück where there is actually a drag queen and a trans person together, two non-binary or genderfluid people. A lot of things in «swissgermany» are conservative, but you have a lot of things that are really forward too, like here: a stück in which queer individuals are centering the diversity of queer identities in queer performance. That is quite empowering.

Two days ago, we were talking about being actors, and Milky was saying: actually we are actors, we play a role since we were born, and we knew how to play this. So this whole institutionalized learning of how to be an actor is also kind of in frage gestellt.

Wie ist Zürich im Vergleich zu Berlin oder anderen Städten?

Milky: Ich kann’s schlecht sagen; wenn ich Shows habe im Ausland, geh ich meist direkt in den Club und am nächsten Tag wieder zum Flughafen. In Sölden, einer österreichischen Partymeile, hatte ich mal eine Show, dort bin ich schon abends in Drag rumgelaufen, weil wir noch schnell Flyer für die Party verteilt haben. Die Leute fanden es sehr lustig und waren freundlich, sie haben nicht abschätzig über mich gelacht oder so, die waren vermutlich auch alle mega betrunken.

Meloe: I’m like omg, people are not insulting me, I’m so happy. But I know that I should ask so much more. I also lived in Berlin, I know it can be a hundred times better than in Zurich, but compared to Geneva… There I was like, how can I survive, being a non-fucking binary queer person of colour, also money-wise. And I was like, let me try Zurich. In Geneva it’s also much harder to be supported by your own people. If everyone is having a hard time, it’s hard for us to support eachother. But there’s hope in the new generation. Most of my queer friends are much younger than me, they are really well connected and they are helping and supporting each other. Like the Milchjugend here. This is only happening in the generation under 25 or even under 20. A lot of older queer people are hiding. There’s a lot of harshness behind the surface.

Was sind für euch die safe places in Zürich?

Milky: Die Fag Places – die Heldenbar vor allem, die find ich als Institution extrem wichtig für Zürich – und sonst fühl ich mich eigentlich überall sicher in der Stadt. Ich würd jetzt in Drag nicht morgens um drei durch die Langstrasse laufen, das nicht, da würd dann sicher was passieren, darum mach ich das nicht.

Meloe: There are also places like transgender network, queer treff, romanesco treff, trans men treff in many cafes, it’s moving, so there are many places that are getting queered up one time a month. That’s also what we do in Geneva with the queers, we have a whatsapp group and we meet in gay or lesbian cafes, but we never go alone, we’re always four or five people. And I feel safe with Milky!

Milky: Because I have the gun. Wir wurden gefragt, was wir für Requisiten wollen, and I was like I wanna have a gun. I’m here the whole day holding my gun.

Im Stück geht’s um queere Rachefantasien. Was sind eure?

Milky: Meine sind im Stück, ich darf nicht viel verraten, sonst ist der Surprise Act weg. Erzähl du!

Meloe: Violent dreams, hm. I talked a lot with Dominik about this. He was asking me to be angry, because he had this idea, and he was like, imagine there’s someone racist! And I was like, the system is so racist, anyone is racist, even people you’ve known for years. And he was like: yeah slap it! And I was like: that doesn’t happen. As a person of colour or as a queer or as a person assigned female at birth, if someone’s asking me: how do you wanna get back on men… How could I get mad at them, they’re all over the place! I’m not dreaming of killing men on the street. That’s only men that have this kind of rachefantasie on their neighbour, because he took their wife or their car.

Milky: You don’t want to shoot people on the street in your violent dreams? I don’t believe that!

Meloe: No. My rachefantasie is like, oh tomorrow the whole system is upside down and I’m gonna show you that I’m nice and that if femininity was in power, actually your life would be better and I would be like, haha, see! I told you so! Like a big sister.

 

Die Premiere von Hate ist am Mittwoch 9. Mai um 20 Uhr im Fabriktheater.

Sophie Steinbeck, *1994 in Lenzburg, studiert Dramaturgie in Leipzig, davor Sprachkunst in Wien. Arbeitet als Autorin und Dramaturgin in den Theaterkollektiven «saft» und «Rohe Eier 3000».

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