Eine neue Veranstaltungsreihe in der Roten Fabrik macht Diskriminierung zum Thema. Dabei versteht sich Auf.Brechen als offene Plattform für betroffene Aktivist*innen, die Veranstaltungen kuratieren und durchführen. Weiter bietet das Format Workshops zur Sensibilisierung der noch immer sehr weissen Roten Fabrikler:innen an. Über die Frage, was Auf.Brechen will und wer hinter der ersten Ausgabe steckt, sprechen wir mit Vera Gujer vom Konzeptbüro der Roten Fabrik und mit Kuratorin und Moderatorin Janice Ackermann.

Auf.Brechen wurde von einer Gruppe Assistent:innen der Roten Fabrik gegründet, an die sich weitere IGRF Mitarbeiter:innen angeschlossen haben. Eigenes gestalten und veranstalten, aktuelles Geschehen aufgreifen und vor allem: ein Ort sein, wo die Leute eine Stimme haben – das war die Idee. Die Rote Fabrik als Gefäss zu eröffnen für Leute, die von Diskriminierungen betroffen sind, ein Freiraum, in dem sie selber das Programm bestimmen. Die Black Lives Matter Bewegung und der Brief Schwarzer Schweizer Kulturschaffenden warf die Frage auf: Was können wir beitragen, dass sich etwas ändert? Wie können wir Veranstaltungs-Strukturen gestalten, die weniger hierarchisch sind?

Auf.Brechen will nicht nur Inhalte vermitteln und das Publikum dazu bringen, sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinanderzusetzen, sondern auch ein Reflektionsort für die Veranstalter:innen selbst sein in Bezug auf ihre Tätigkeitsorganisation und eine Möglichkeit für sie, ein Netzwerk ausserhalb der Bubble aufzubauen. Aus diesem Netzwerk soll dann das Wort weitergetragen werden und es sollen wieder neue Menschen zur Gruppe kommen, die Ideen vorbringen. Auch andere Veranstaltungsformen sollen Publikum erschliessen – nicht nur Symposien, sondern auch Theater, Theater für Kinder, Filme und Veranstaltungen ausserhalb der Roten Fabrik, zum Beispiel ein Abend am Feuer, und man erzählt sich Geschichten. Denn, so Vera: «Was wir unter Veranstaltung verstehen, ist kulturell geprägt.»
Die Gruppe Auf.Brechen sucht sich immer wieder als fluider Pool aus und für IG Rote Fabrik-Interne und Externe. Eine davon ist Janice Ackermann, welche die erste Veranstaltung kuratiert und moderiert.

«Ich bin Janice, 21 Jahre alt, in Zürich Schwamendingen aufgewachsen und im Triemli Spital geboren. Momentan arbeite ich in einer Bar und habe Restaurantfachfrau gelernt.»

Fabrikzeitung: Es ist nicht einfach, Informationen über dich im Internet zu finden. Hältst du deine Person bewusst privat?

Janice Ackermann: Ich bin einfach nicht die Art von Person, für die eine öffentliche Exponierung natürlich ist. Ich spüre nicht diesen Drang, mein Leben zu dokumentieren und in die Öffentlichkeit zu stellen, und das wirft in der heutigen Zeit Fragen auf.

Du moderierst gemeinsam mit Jürgen Schlicher die erste Veranstaltung der Reihe Auf.Brechen in der Roten Fabrik. Wie ist diese Zusammenarbeit zustande gekommen, und was erhoffst du dir davon?

JA: Die Idee, Initiative zu ergreifen, kam mir nach dem grossen Black Lives Matter Protest im Sommer 2020. Danach habe ich selbst sehr viel an verschiedenen Events zu Diskriminierung teilgenommen. Diese Diskussionen und Auseinandersetzungen taten mir gut, aber ich habe gemerkt, dass das Angebot schnell nachliess. Mir wurde bewusst, dass es einen regelmässigen Rahmen dafür braucht. Ich habe den Kontakt zur Roten Fabrik gesucht und schnell eine Gruppe von Menschen gefunden, die mich bei der Verwirklichung meiner Idee unterstützen wollten. Worüber ich sehr dankbar bin.
Ich erhoffe mir davon, dass sich die Leute mehr mit dem Thema auseinandersetzen und dass sie im Diskurs bleiben, denn Anti-Rassismus ist kein Trend.

Wie können Veranstaltungen wie Auf.Brechen zu einer gleichberechtigten Gesellschaft beitragen? Wo sind ihre Grenzen?

JA: Ich glaube, dass Auf.Brechen als Projekt für verschiedenste Leute einen anderen Zugang geben und dabei helfen kann, Denkanstösse zu bieten.

Viele Diskurse zum Thema Anti-Rassismus erreichen uns aus der USA. Wo befindet sich die Schweiz in der Anti-Rassismus-Debatte? Wo finden sich sinnvolle Parallelen zu den USA, und welche schweiz-spezifischen Debatten müssen geführt werden?

JA: Die Schweiz befindet sich noch sehr am Anfang dieses Diskurses und wir sollten diesen Diskurs nicht zu sehr mit dem aus den USA vergleichen. Wir haben ähnliche Probleme, aber nicht die gleichen.

Kann die Rote Fabrik, seit Jahrzehnten von weissen Menschen geführt, diesen Themen gerecht werden? Lassen sich alteingesessene Kulturinstitutionen in eine solidarische Zukunft führen, oder braucht es neue, eigene Räume, wie es einige Theaterschaffende in Düsseldorf dieses Jahr forderten?

JA: Mehrere Kulturorte, wo man auf verschiedenen Ebenen diskutiert, können nicht schaden.

«Nöd e Revolution,
aber anders sölls werde»

Janice Ackermann hat den Film ausgewählt, sowie sich Jürgen Schlicher als Ko-Moderator ausgesucht. Der Film «Blue Eyed», der im Rahmen der ersten Veranstaltung gezeigt werden wird, dokumentiert ein Experiment der amerikanischen Anti-Rassismus Aktivistin Jane Elliot. Dabei wird eine Gruppe in blau- bzw. braunäugig eingeteilt, wobei die Braunäugigen eine bevorzugte Behandlung erhalten und die Blauäugigen diskriminiert werden.

Bei Auf.Brechen sind es im Moment noch mehrheitlich Weisse, die organisieren. Aber Vera meint: «Wenn man nicht an Revolution glaubt, ans Stürzen der Roten Fabrik, Rausschmeissen aller Mitarbeitenden» – dann werde erst einmal mit dem angefangen, was da ist. «Nöd e Revolution, aber anders sölls werde.» Denn: «To sit back and do nothing is to collaborate with the oppressor», wie es im Film heisst. «Es ist ja auch toll, gibts die alten Hasen mit diversen Erfahrungen– vielleicht wird dadurch ein Gespräch zwischen den Generationen angeregt.» Was noch nicht ist, kann ja noch werden. Bis dahin heisst es, sich immer wieder selber infrage stellen, sich selbst zurückzunehmen als weisse Personen. Da sich die IG Rote Fabrik nur aus weissen Personen zusammensetzt, will Auf.Brechen nicht nur Diskussionsrunden mit Publikum veranstalten, sondern auch interne Workshops. Deren Ziel sind nicht Veranstaltungen, sondern es soll darum gehen, einen Nährboden für guten Austausch zu schaffen. Weiter soll es darum gehen, vermehrt feste Plätze für POC-Mitglieder der Gruppe Auf.Brechen zu schaffen. «Vielleicht braucht es dafür irgendwann auch niemanden mehr aus der Roten Fabrik, vielleicht wird es eine eigene AG.» Gerade sei dies noch schwierig wegen Geldern: Die Gruppe möchte alle Mitglieder im Stundenlohn fair bezahlen, es soll keine ehrenamtliche Arbeit sein.

Es sei immer die Frage in der Roten Fabrik: «Wo findest du dein Plätzli, wo wirst du aufgenommen, machst du dein eigenes Ding, und wenn ja, wie kannst du es finanziell rechtfertigen.» Dazu komme die Frage nach dem Recht, Termine frühzeitig für die Reihe zu besetzen. Auf.Brechen möchte gerne eine monatliche Veranstaltungsreihe in Anbindung ans Konzeptbüro fixen – wie es etwa auch für den Poetry Slam jeden Monat Geld gibt. Gerade muss jedes Mal bei den einzelnen Büros gefragt werden, ob noch Geld förig ist, das sie hergeben wollen. Ein fixes Budget jeden Monat – dafür müssten alle Departements ein bisschen Geld abgeben. «Das wird noch Diskussionen geben, aber das ist gut, dann wirds einmal mehr ein bisschen politisch in der Roten.»

Interview mit Janice Ackermann und Vera Gujer von Sophie Steinbeck

Sophie Steinbeck, *1994 in Lenzburg, studiert Dramaturgie in Leipzig, davor Sprachkunst in Wien. Arbeitet als Autorin und Dramaturgin in den Theaterkollektiven «saft» und «Rohe Eier 3000».
Die erste Folge Auf.Brechen findet am 23. September um 19.30 Uhr und am 24. September um 20 Uhr im Clubraum der Roten Fabrik statt.

Comment is free

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert