Die drei legendären ehemaligen Chefredakteure des Satiremagazins Titanic Martin Sonneborn, Thomas Gsella und Oliver Maria Schmitt eroberten mit ihrer Partei Die PARTEI das EU-Parlament und mit ihrem Parteiprogramm die Herzen der Wähler (eher weniger). Sie wurden verklagt vom Papst, dem Bundespräsidenten und der FIFA, überlebten Terroranschläge, wurden ausgebuht, bejubelt und gefeiert. Und sie haben noch nicht genug: Erneut machen sie sich auf Tour, um Geschmacklosigkeiten auf höchstem Niveau zu zelebrieren. Die Fabrikzeitung sprach mit Boygroup-Member Oliver Maria Schmitt über Politik, Papst Ratzingers Verlangen nach Fanta, Parteiziele und die Schweiz.

 

– Hallo Oliver, wie geht es dir?

Den Umständen entsprechend gut. Aber bis jetzt sind wir ja auch noch nicht in der Schweiz angekommen.

– Was machst du in Buenos Aires?

Neue Auftrittsorte für die Titanic BoyGroup klarmachen. Ich habe gehört, dass die Toten Hosen hier einmal im Jahr vor 40.000 Leuten auftreten, die Argentinier scheinen also auf gealterte deutsche Boygroups zu stehen. Da dürfen wir auf keinen Fall fehlen.

– Wovor bist du geflüchtet?

Vor unserer neuen Nazi-Partei AfD, sozusagen der deutschen Version der SVP, die gerade bei Wahlen in Deutschland kräftig abräumt.

– Wenn du den Leuten am Strand erzählst, was du so machst, was erzählst du da? Und nehmen wir an, du hast einen zerknüllten Titanic-Artikel in der Badehose, um ihn zu zeigen, welcher wäre das?

 Das wäre wohl unsere Titanic-Telefonaktion mit Schweizer Banken, da haben wir versucht, in Schweizer Großbanken deponierte Nazi-Gelder zurück zu bekommen. Natürlich vergeblich.

– Wie fühlt es sich eigentlich an, vom Papst verflucht zu werden?

Es war ein schreckliches Gefühl. Mit meinem Titanic-Titelbildwitz «Die undichte Stelle im Vatikan», wo der deutsche Papst Ratzinger mit einer gelb befleckten Soutane gezeigt wurde, wollten wir Ratzinger ja nur als begeisterten Fanta-Trinker zeigen, aber das wurde tragischerweise missverstanden und führte à la longue zu seinem Rücktritt. Dadurch haben wir den einzigen Titanic-Abonenten im Vatikan verloren. Der neue argentinische Bettelpapst scheut solche Ausgaben natürlich…

– Andere, die sich in letzter Zeit von Satirezeitschriften angegriffen fühlten, zeigten sich weniger zimperlich: Wie sicher fühlt ihr euch in der Titanic?

Völlig unsicher. Deswegen fliehen wir ja jetzt in die sichere Schweiz.

– Trump oder Hillary?

Hillary Trump zeigt die USA in ihrer ganzen politkompetenten Kraft.

– Wie John Oliver sagt: Früher haben die Leute über Komiker gelacht und Politikern zugehört, heute ist es anders herum – wann ist Politik so lächerlich geworden, dass eine Partei wie die PARTEI, die vorgibt, keine stringente politische Linie zu verfolgen, es ins EU Parlament schafft?

Die PARTEI hat in Deutschland einen klaren Regierungsauftrag erhalten, leider allerdings von sehr wenigen Wählern. Wenigstens konnten wir unseren PARTEI-Vorsitzenden Martin Sonneborn erfolgreich ins Ausland abschieben, damit er für Gsella und mich in Brüssel Millionen einsackt. In Brüssel sitzen ja keine wirklich mächtigen Männer, sondern nur wirklich mächtige Abkassierer. Sobald Sonneborn in die Kommission vorgerückt ist, holt er uns nach. Dann gibt’s fett Kilometerpauschale und Pendlerzulage – das ist doch eine ganz klare politische Linie!

– Was ist überhaupt Politik?

Wie ich bereits in meinem politischen Manifest «Mein Wahlkampf» klarmachte: Politik ist das geheiligte Mittel zum eigenen Zweck. Da sind uns erfolgreiche Politiker und Funktionäre wie Sepp Blatter oder Silvio Berlusconi leuchtende Vorbilder.

– Wenn man sich mit Geld mehr Geld kaufen kann, wie in eurer Partei-Finanzierungskampagne, hat das Geldsystem überhaupt (noch) einen Sinn?

Ohne Geld keine Politik. Unser EU-Abgeordneter Sonneborn subventioniert mit seinen Diäten einen aufgeblähten PARTEI-Apparat, um verkrustete Strukturen zu festigen und die grassierende Verfilzung zu stärken – also das, was letztlich alle Politiker machen.

– Muss man bei Ihrer Show Angst haben, Opfer eines Terroranschlags zu werden?

Jederzeit. Spätestens wenn Thomas Gsella im Zugabenteil seinen weißen Bademantel öffnet und den mächtig behaarten Silberrücken entblößt, dann können wir für nichts mehr garantieren.

– Die PARTEI hat vor, Europa als Satellitenstaat umzuorganisieren – was wird dabei aus der Schweiz?

Die Schweiz darf ihren hart erkämpften Status als sicheres Herkunftsland behalten, aber nur, wenn sie ab sofort auch Flüchtlinge aus Krisengebieten aufnimmt und nicht nur, wie bisher, Flüchtlinge aus Hochbesteuerungsgebieten.

– Nach jahrelanger Titanic Ausbildung – was darf Satire nicht?

Sie darf nicht langweilen.

– Zu alt, zu dick, zu unmodern: Was kann man von eurem Auftritt in der Roten Fabrik erwarten?

Wir bieten, wie immer, 240 Minuten Spaß, Spiel, Spannung, Zauberei, Jonglage, Illusionskunst, bodenständigen Rock vom feinsten, Emotion pur und jede Menge Knüllerangebote, die andere nicht haben. Dazwischen kann es allerdings auch zu gezielten Beleidigungen angeblich neutraler Kleinstaaten kommen, zu infamen Unterstellungen, Tatsachenverdrehungen und natürlich auch zu Witzen auf Kosten Dritter, und da sind die Hitler-, Blatter- und Helene-Fischer-Witze noch gar nicht mitgerechnet.

 

Die Titanic-BoyGroup tritt am Samstag, den 16. April um 20 Uhr in der Aktionshalle der Roten Fabrik auf.

Sophie Steinbeck, *1994 in Lenzburg, studiert Dramaturgie in Leipzig, davor Sprachkunst in Wien. Arbeitet als Autorin und Dramaturgin in den Theaterkollektiven «saft» und «Rohe Eier 3000».

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